Nachdem wir uns mehr als zwei Monate bemühten, erhielten wir einen freundlichen Anruf aus dem DGB-Büro: „…Herr Krause möchte gern einen Termin mit Ihnen vereinbaren…“
Am Vormittag des 05. November 2002 trafen sich der OPD-Bundesvorsitzende Toni Aigner und der DGB-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt Süd, Johannes Krause, zu einem knapp einstündigen Gespräch zur Erörterung der OPD-Vorschläge für eine „gesamtdeutsche Krisenbewältigung“.
Herr Krause hatte sich sehr gut bis ausgezeichnet auf das anberaumte Gespräch vorbereitet und an einigen Textpassagen unserer Konzeption Bemerkungen angebracht, auf die wir später zurückkommen werden. Krause befürwortete unser vorgeschlagenes Notopfer für „höhere Staatsdiener“ bzw. erkannte er diese Notwendigkeit, um einer staatsdienstlichen Vorbildrolle gerecht werden zu können.
Aigner verwies in diesem Zusammenhang auf das Buch von Lee Lacocca (Eine amerikanische Karriere), dem ehemaligen Fordmanager, der mit äußerst ungewöhnlichen Mitteln und Vorgehensweisen den Chryslerkonzern aus der Krise in die Gewinnzone brachte. Lee Lacocca erkannte, dass die Fordmitarbeiter nur zu weitern Opfern bereit wären, wenn „die fetten Hamster aus der Vorstandsetage“ mit gutem Beispiel voran gingen – Vorbild wären. Diese Ansicht/Vorgehensweise hat die OPD schon lange bevor sie das besagte Buch in die Hände bekam, verinnerlicht bzw. zur Programmatik gemacht.
Aigner und Krause missbilligten einhellig die unverhältnismäßig hohen Abfindungen (11,6 Millionen € !!!) an den ehemaligen Telekomchef – Ron Sommer. Erst die „Karre“ vor die Wand fahren und dann trotzdem eine hohe Abfindung einstreichen. Das ist wahrlich der Hammer. Immerhin ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft in diesem Fall, weil die Abfindungshöhe die Telekomaktionäre benachteiligten. Die OPD sieht hier zudem eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Gerechtigkeitsempfindens mit negativen Auswirkungen auf die mögliche Gesetzestreue nicht weniger Bürger/innen. „Wie der Herre…“
Krause lies uns wissen, dass sich die OPD nicht in Widersprüche verstricken sollte, wenn sie auf der einen Seite ein Notopfer von Staatsdienern fordere, aber andererseits die „zu niedrigen Politikergehälter“ kritisiere. Aigner erklärte dazu, dass wir zu viele Berufspolitiker hätten, die ihr Geld nicht wert sind. Die CDU allein hat z. B. über 75 000 Mandatsträger in der ganzen Republik. Wer von denen kann mit durchdachten Reformvorschlägen aufwarten? Wo sind die zukunftsweisenden Ideen der C-Partei? Außer Luftschlösser („Blühende Landschaften“) und nicht finanzierbare Vorschläge (Erziehungsgeld) können wir nichts Verwertbares entdecken. Die CDU/CSU-Bauchschmerzen bei der Diskussion um die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft sollen hier nicht auch noch angesprochen werden…
Wenn wir u. a. deutlich weniger Politiker unterhalten, die aber viel besser als heute entlohnen, dann wird sich auch die Qualität der Arbeitsergebnisse erhöhen. Darin ist sich die OPD ziemlich sicher. Den Job von Schröder würde Aigner für das Geld z. B. nicht machen. Aus Prinzip. In unserem Land verdienen die Vorstände von staatlichen Krankenkassen nicht selten mehr als der Bundeskanzler. Das ist mehr als verrückt. Ein/e Bundeskanzler/in muss nach unserer Ansicht deutlich mehr als jeder Führungskader eines staatlichen Unternehmens erhalten. Die OPD würde zudem mindestens ein Viertel der Einkommen von Berufspolitikern ergebnisorientiert bzw. konjunkturabhängig ausbezahlt wissen. In der derzeitigen Krise wäre dieses Viertel schon mal bei allen (!) Berufspolitikern gestrichen. Und das wäre auch gut so! Der Dienst und Wettbewerb um das öffentliche Wohl muss honoriert werden, nicht das politische Kriechertum bzw. der weit verbreitete Opportunismus. Das Notopfer muss also kommen!
Aigner hatte einige Mühen, dem DGB-Vorsitzenden seine persönliche Befürwortung zum „OPD-Korruptionsgesetz“ abzuringen. Aigner warf ein, dass Bund, Länder und Gemeinden jedes Jahr etwa 30 Milliarden € verschwenden. Diese verschwendeten Mittel benötigen wir dringend in den so wichtigen Bereichen wie der Bildung und Forschung. Nachdem Krause wiederholt seine philosophischen Gedankengänge in den Raum stellte, bekamen wir schließlich die gewünschte Antwort. Krause bezweifelte zwar, dass unser Korruptionsgesetz eine ausreichende Präventivmaßnahme sei, befürwortete jedoch die Notwendigkeit eines solchen Schrittes. Aigner warf ein, dass der „Preis“ für eine grobe Verfehlung/ Straftat (Korruption, Bestechung etc.) nur ausreichend hoch ausfallen müsse, damit sich der Präventivmechanismus bewährt. Wenn es z. B. für Mord nicht lebenslänglich gäbe, dann hätten Scheidungsanwälte wahrscheinlich weniger Mandanten.
Zu unserer Textpassage: „Mit Inkrafttreten des 400-Euro-Gesetzes können wir die unternehmerfeindlichen und meist effektlosen ABM sicherlich etwas zurückfahren, mittelfristig vielleicht sogar streichen.“, gab Krause zu Bedenken, dass durch ABM viele, vor allem ältere Erwerbslose eine Arbeit gefunden hätten, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nur schwerlich einen Einstieg bekommen hätten. Aigner verwies auf die, diesmal nicht pauschalisierte Aussage im Text: „meist effektlos“ und informierte Krause darüber, dass die OPD nicht alle bzw. 100 Prozent der ABM in Frage stelle. ABM ist vor allem dann verwerflich und schädlich, wenn damit etablierten Unternehmen die Aufträge entzogen werden. Das „400-Euro-Gesetz“ ist aus unserer Sicht die bessere Alternative zu ABM.
Krause betrachtete unsere niedergeschriebenen Gedanken zum Korruptionsgesetz. Da steht: „Bauunternehmen, die u. a. mit Schmiergeldern arbeiten, sollen in Zukunft von allen öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.“ Missmutig äußerte er, dass die jetzige Landesregierung (CDU) genau dieses Vorhaben erfolgreich abwürgte. Auch für Aigner unverständlich…
Mit dem Blick auf die Uhr drängte Aigner zum Kapitel mit unserem „400-Euro-Gesetz“. Unsere Aussage „Arbeit gibt es genug!“ wurde von Krause bestätigt bzw. bejaht. Im Bezug auf unsere Ausführungen zum Wachstumsmarkt – medizinische Forschung – bemängelte Krause, als pflichtbewusster Gewerkschafter, die Macht der Pharmakonzerne bzw. die regelmäßige Produktionsverlagerung ins Ausland. Aigner erwiderte, dass Pharmakonzerne, wie auch Banken und alle anderen Unternehmen, wirtschaftlich arbeiten müssen und nicht, wie Deutsche Regierungen, jedes Jahr Neuverschuldungen in Milliardenhöhe beschließen können. Es ist die Hausaufgabe der Politik, einen großen Teil der etwa acht Millionen Erwerbslosen in Deutschland, erfolgreich in den Wirtschaftskreislauf einzubinden.
Zu unserem „400-Euro-Gesetz“ äußerte Krause noch den Hinweis, dass er es auf einen bestimmten Zeitraum begrenzen würde. Die OPD hegte anfangs den gleichen Gedankengang (drei Jahre), verwarf diesen aber wieder, da es schließlich immer Erwerbslose geben wird und die Wirtschaft eigentlich immer deren Unterstützung benötigt. Einen genauen Zeitraum festzulegen, wäre aus OPD-Sicht nicht sinnvoll und notwendig. Das Gesetz könnte ja auch bis auf Wiederruf, mit einer angemessenen Übergangsfrist verabschiedet werden. Wichtig ist doch nur, dass dieses Gesetz kommt und nicht, wie lange wir es anwenden sollen. Das wir sich dann schon aus der Praxis ergeben – so Aigner.
Aigner führte am Ende des Gesprächs die Unwilligkeit und Ignoranz der Handwerkskammer Halle (Saale) und der IHK Halle-Dessau an. Beide Kammern verwehren der OPD fachliche Gespräche und beantworten nicht eine unserer gestellten Fragen. Das gleiche trifft auf Prof. Pohl (Institut für Wirtschaftsforschung Halle) zu. Krause stellte die Kompetenz der genannten Kammern und des IWH in Frage und wies im Bezug auf die „Zwangskammern“ HK und IHK darauf hin, dass sich diese, von den eingetriebenen Beiträgen der Händler und Handwerker bestens versorgen. Krause fügte noch hinzu, dass es in Amerika eine freiwillige Entscheidung sei, ob jemand einer Kammer angehören will. In dieser Hinsicht dürfen/sollten wir mal wieder rüberschielen – nach Amerika…
Die Zeit, sie war um. Bei der Verabschiedung entschuldigte sich Herr Krause nochmals sehr höflich für unsere aufwendigen Bemühungen, um das Gespräch terminieren zu können.
Kommentare…
Das Gespräch zwischen dem Gewerkschaftsvertreter Krause und dem OPD-Vorsitzenden Aigner fand auf einer hohen und doch entspannten Ebene statt. Leider war die knappe Stunde nicht ausreichend, um alle Fragen klären zu können, dennoch sind wir mit dem Verlauf und mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Krause merkte an, dass wir „in einigen Punkten gar nicht so weit auseinanderliegen.“ Die Kritik bzw. seinen Hinweis, dass wir in unseren Ausführungen zuviel pauschalisieren, nehmen wir gern an. Uns ist aber bewusst, dass wir mit einem Schmusekurs nichts ausrichten können. Ross und Reiter wollen genannt werden, so wie die Probleme, Versäumnisse und Fehlverhalten unserer staatsdienstlichen Arbeitnehmerschaft unmissverständlich an den Pranger gehören. Sonst wird sich niemals etwas ändern. Wie sagte Schröder letztens: „Durchgreifende Reformen lassen sich viel besser angehen, wenn Skandale das Fass zum überlaufen bringen.“
Wir halten den DGB-Vorsitzenden Johannes Krause für einen freundlichen und kompetenten Mann, wenn er auch die skandalösen politischen Versäumnisse/ Verhältnisse und Schweinereien in unserer Gesellschaft nicht so anprangert und bekämpft, wie die OPD. Er hatte jedenfalls den Mut, wie viele andere nicht, sich unseren Fragen zu stellen und antwortete ebenso mit einem durchaus gesunden Menschenverstand. Dafür sind wir ihm dankbar.
Aigner hatte zu keinem Zeitpunkt des fast einstündigen Gespräches den Eindruck, dass Krause auch nur einen unserer Programmpunkte grundsätzlich verwerfen wollte. Ihn störte lediglich unser teilweise rüdes Herangehen bzw. vereinzelte Pauschalierungen.
Wir sind eben auch nur „zornige junge Männer, die die Obrigkeit satt haben und in Frage stellen.“ Der streitbare Politikkritiker und Verleger Rudolf Augstein hatte auch einmal so angefangen.
OPD – Zeit wird’s!