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31. Wer nicht am Denken leidet, den freut das Aufstehen am Morgen und das Essen und Trinken, der findet Genüge darin und will es nicht anders. Wem aber diese Selbstverständlichkeit verlorenging, der sucht im Laufe der Tage begierig und wachsam nach den Augenblicken wahren Lebens, deren Aufblitzen beglückt und das Gefühl der Zeit samt allen Gedanken an Sinn und Ziel des Ganzen auslöscht.
- Hermann Hesse, Gertrud
32. Ich wußte plötzlich wieder, daß der Tod unser kluger und guter Bruder ist, der die rechte Stunde weiß und dessen wir mit Zuversicht gewärtig sein dürfen. Und ich begann auch zu verstehen, daß das Leid und die Enttäuschungen und die Schwermut nicht da sind, um uns verdrossen und wertlos und würdelos zu machen, sondern um uns zu reifen und zu verklären.
- Hermann Hesse, Peter Camenzind
Musik des Weltalls und Musik der Meister
Sind wir bereit mit Ehrfurcht anzuhören, Zu reiner Feier die verehrten Geister Begnadeter Zeiten zu beschwören. Wir lassen vom Geheimnis uns erheben Der magischen Formelschrift, in deren Bann Das Uferlose, Stürmende, das Leben, Zu klaren Gleichnissen gerann. Sternbildern gleich ertönen sie kristallen, In ihrem Dienst ward unserm Leben Sinn, Und keiner kann aus ihren Kreisen fallen, Als nach der heiligen Mitte hin. Es führen über die Erde Strassen und Wege viel, Aber alle haben Dasselbe Ziel Du kannst reiten und fahren Zu zwein und zu drein, Den letzten Schritt Mußt du gehen allein. Drum ist kein Wissen Noch Können so gut, Als daß man alles Schwere Alleine tut. Entgegenkommen Die ewig Unentwegten und Naiven Ertragen freilich unsre Zweifel nicht. Flach sei die Welt, erklären sie uns schlicht, und Faselei die Sage von den Tiefen. Denn sollt es wirklich andre Dimensionen Als die zwei guten, altvertrauten geben, Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen, Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben? Um also einen Frieden zu erreichen, So laßt uns eine Dimension denn streichen! Denn sind die Unentwegten ehrlich, Und ist das Tiefensehen so gefährlich, Dann ist die dritte Dimension entbehrlich. (Hermann Hesse)
33. Damit das Mögliche entstehe, muß immer wieder das Unmögliche versucht werden.
- Hermann Hesse, Zen, Brief an Wilhelm Gundert
34. Was gut ist, wissen wir, es steht in den Geboten. Aber Gott ist nicht nur in den Geboten, sie sind nur der kleinste Teil von ihm. Du kannst bei den Geboten stehen und kannst weit von Gott weg sein.
- Hermann Hesse, Narziß und Goldmund
35. Glaube und Zweifel bedingen einander wie Ein- und Ausatmen; sie gehören zusammen.
- Hermann Hesse
36. Wer "nicht in die Welt paßt", der ist immer nahe daran, sich selber zu finden.
- Hermann Hesse, Demian
37. Die meisten Menschen sind wie ein fallendes Blatt, das weht und dreht sich durch die Luft, und schwankt, und taumelt zu Boden. Andre aber, wenige, sind wie Sterne, die gehen eine feste Bahn, kein Wind erreicht sie, in sich selber haben sie ihr Gesetz und ihre Bahn.
- Hermann Hesse, Siddhartha
Kennst Du das auch?
Kennst du das auch, daß manches mal Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehen musst?
Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf.
Wie Einer, den plötzlich Heimweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, ohne Halt –
Kennst du das auch?
(Hermann Hesse)
Altwerden
All der Tand, den Jugend schätzt, Auch von mir ward er verehrt,
Locken, Schlipse, Helm und Schwert Und die Weiblein nicht zuletzt.
Aber nun erst seh ich klar, Da für mich, den alten Knaben,
Nichts von allem mehr zu haben.
Aber nun erst seh ich klar, Wie dies Streben weise war.
Zwar vergehen Band und Locken Und der ganze Zauber bald;
Aber was ich sonst gewonnen, Weisheit, Tugend, warme Socken,
Ach auch das ist bald zerronnen, Und auf Erden wird es kalt.
Herrlich ist für alte Leute Ofen und Burgunder rot
Und zuletzt ein sanfter Tod - Aber später, noch nicht heute!
(Hermann Hesse)
Belehrung
Mehr oder Weniger, mein lieber Knabe, sind schließlich alle Menschenworte Schwindel,
verhältnismäßig sind wir in der Windel am ehrlichsten, und später dann im Grabe.
Dann legen wir uns zu den Vätern nieder, sind endlich weise und voll kühler
Klarheit,
mit blanken Knochen klappern wir die Wahrheit,
und mancher lög und lebte lieber wieder.
(Hermann Hesse)
Altern
So ist das Altern:
was einst Freude war,
Wird Mühsal, und der Quell rinnt trüber,
Sogar der Schmerz ist seiner Würze bar -
Man tröstet sich: bald ist's vorüber.
Wogegen wir uns einst so stark gewehrt:
Bindung und Last und auferlegte Pflichten,
Hat sich in Zuflucht und in Trost verkehrt:
Man möchte doch ein Tagwerk noch verrichten.
Doch reicht auch dieser Bürgertrost nicht weit,
Die Seele dürstet nach beschwingten Flügen.
Sie ahnt den Tod, weit hinter Ich und Zeit,
Und atmet tief ihn ein in gierigen Zügen.
(Hermann Hesse)
38. Der Blick in den Sternenhimmel und ein Ohr voller Musik vor dem Zubettgehen, das ist besser als alle deine Schlafmittel.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
39. Das, was wahr ist, und wie das Leben eigentlich eingerichtet ist, das muß ein jeder sich selber ausdenken und kann es aus keinem Buch lernen.
- Hermann Hesse, Vorfrühling
40. Die Gottheit ist in dir, nicht in den Begriffen und Büchern. Die Wahrheit wird gelebt, nicht doziert.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
41. Wenn im Kampf der Interessen und Schlagworte die Wahrheit in Gefahr kommt, ebenso entwertet, entstellt und vergewaltigt zu werden wie der Einzelmensch, wie die Sprache, wie die Künste, wie alles Organische und kunstvoll Hochgezüchtete, dann ist es unsere einzige Pficht, zu widerstreben und die Wahrheit, das heißt das Streben nach Wahrheit, als unseren obersten Glaubenssatz zu retten.
Der Gelehrte, der als Redner, als Autor, als Lehrer wissentlich das Falsche sagt, wissentlich Lügen und Fälschungen unterstützt, handelt nicht nur gegen organische Grundgesetze, er tut außerdem, jedem aktuellen Anschein zum Trotz, seinem Volke keinen Nutzen, sondern schweren Schaden, er verdirbt ihm Luft und Erde, Speise und Trank, er vergiftet das Denken und das Recht und hilft allem Bösen und Feindlichen, das dem Volke Vernichtung droht.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
42. Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, so eilt er auf dem schnellsten Weg zum Grunde des Wassers. So ist es, wenn Siddhartha ein Ziel, einen Vorsatz hat. Siddhartha tut nichts, er wartet, er denkt, er fastet, aber er geht durch die Dinge der Welt hindurch wie der Stein durchs Wasser, ohne etwas zu tun, ohne sich zu rühren: er wird gezogen, er läßt sich fallen. Sein Ziel zieht ihn an sich, denn er läßt nichts in seine Seele ein, was dem Ziel widerstreben könnte.
Das ist es, was Siddhartha bei den Samanas gelernt hat. Es ist das, was die Toren Zauber nennen und wovon sie meinen, es werde durch die Dämonen bewirkt. Nichts wird von den Dämonen bewirkt, es gibt keine Dämonen. Jeder kann zaubern, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er denken kann, wenn er fasten kann.
- Hermann Hesse, Siddhartha
43. Das Ziel ist dies: mich immer dahin zu stellen, wo ich am besten dienen kann, wo meine Art, meine Eigenschaften und Gaben den besten Boden, das größte Wirkungsfeld finden. Es gibt kein anderes Ziel.
- Hermann Hesse, Narziß und Goldmund
44. Man konnte den Leuten in ihrer Dummheit zusehen, man konnte über sie lachen oder Mitleid mit ihnen haben, aber man mußte sie ihrer Wege gehen lassen.
- Hermann Hesse, Vorfrühling
45. Jeder von uns ist nur ein Mensch, nur ein Versuch, ein Unterwegs. Er sollte aber dorthin unterwegs sein, wo das Vollkommene ist, er soll ins Zentrum streben, nicht an die Peripherie.
- Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
Auf den Tod eines kleinen Kindes...
Jetzt bist du schon gegangen, Kind,
Und hast vom Leben nichts erfahren,
Indes in unseren welken Jahren
Wir Alten noch gefangen sind.
Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Luft und Licht zu schmecken,
War dir genug und schon zuviel;
Du schliefst ein, nicht mehr zu wecken.
Vielleicht in diesem Hauch und Blick
Sind alle Spiele, alle Mienen
Des ganzen Lebens dir erschienen,
Erschrocken zogst du dich zurück.
Vielleicht wenn unsre Augen, Kind,
Einmal erloschen, wird uns scheinen,
Sie hätten von der Erde, Kind,
Nicht mehr gesehen als die deinen.
(Hermann Hesse)
46. Nun, wo ein Anfang gemacht ist, kommt immer das Beste von selber nach.
- Hermann Hesse, Peter Camenzind
47. Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit.
- Hermann Hesse, Siddhartha
48. Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht.
- Hermann Hesse, Siddhartha
Glück
Solang du nach dem Glücke jagst, Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlornes klagst Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt Du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst, Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst, Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
(Hermann Hesse)
49. Es ist gut, alles selber zu kosten, was man zu wissen nötig hat.
- Hermann Hesse, Siddhartha
50. Es ist so gut, das zu wissen: daß in uns drinnen einer ist, der alles weiß, alles will, alles besser macht als wir selber.
- Hermann Hesse, Demian
51. Zum erstenmal klang die äußere Welt mit meiner innern rein zusammen - dann ist Feiertag der Seele, dann lohnt es sich zu leben.
- Hermann Hesse, Demian
Ich bin ein Stern
Ich bin ein Stern am Firmament,
Der die Welt betrachtet, die Welt verachtet,
Und in der eignen Glut verbrennt.
Ich bin das Meer, das nächtens stürmt,
Das klagende Meer, das opferschwer
Zu alten Sünden neue türmt.
Ich bin von Eurer Welt verbannt
Vom Stolz erzogen, vom Stolz belogen,
Ich bin ein König ohne Land.
Ich bin die stumme Leidenschaft,
Im Haus ohne Herd, im Krieg ohne Schwert,
Und krank an meiner eignen Kraft.
(Hermann Hesse)
Ich fragte dich, warum dein Auge gern
In meinem Auge ruht,
So wie ein reiner Himmelsstern
In einer dunklen Flut.
Du sahest lang mich an,
Wie man ein Kind mit Blicken mißt,
Und sagtest freundlich dann:
Ich bin dir gut, weil du so traurig bist.
(Hermann Hesse, Maria)
52. Tu den Schritt und wirf einmal alles weg, so wirst du plötzlich die Welt wieder mit hundert schönen Dingen auf dich warten sehen.
- Hermann Hesse, Roßhalde
53. Glücklich ist, wer hofft!
- Hermann Hesse, Roßhalde
54. Mochte es mir gehen, wie es wollte, ich war selig, diese Frau in der Welt zu wissen, ihre Stimme zu trinken und ihre Nähe zu atmen.
- Hermann Hesse, Demian
Wiedersehen
Hast du das ganz vergessen,
Daß einst dein Arm in meinem hing
Und Wonne unermessen
Von deiner Hand in meine Hand
Von meinem Mund in deinen überging,
Und daß dein blondes Haar
Einst einen flüchtigen Frühling lang
Der selige Mantel meiner Liebe war,
Und daß die Welt einst duftete und klang,
Die jetzt so grau verdrossen liegt,
Von keinem Liebessturm, von keiner Torheit mehr gewiegt?
Was wir einander wehe tun,
Die Zeit verweht's, das Herz vergißt;
Die seligen Stunden aber ruhn
In einem Glanz, der ohne Ende ist.
(Hermann Hesse)
Bücher
Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.
Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne Stern und Mond,
Denn das Licht, wonach du frugst,
In dir selber wohnt.
Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -
Denn nun ist sie dein.
(Hermann Hesse)
55. Ja, man muß seinen Traum finden, dann wird der Weg leicht. Aber es gibt keinen immerwährenden Traum, jeden löst ein neuer ab, und keinen darf man festhalten wollen.
- Hermann Hesse, Demian
56. Es war um nichts schade, was vorüber war. Schade war es um das Jetzt und Heute, um all diese ungezählten Stunden und Tage, die ich verlor, die ich nur erlitt, die weder Geschenke noch Erschütterungen brachten. Aber Gott sei gelobt, es gab auch Ausnahmen, es gab zuweilen, selten, auch andre Stunden, die brachten Erschütterung, brachten Geschenke, rissen Wände ein und brachten mich Verirrten wieder zurück ans lebendige Herz der Welt.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf
57. Einsamkeit ist Unabhängigkeit, ich hatte sie mir gewünscht und mir erworben in langen Jahren. Sie war kalt, o ja, sie war aber auch still, wunderbar still und groß wie der kalte stille Raum, in dem die Sterne sich drehen.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf
58. Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstand lernen können, und er war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, war dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. Dies konnte er nicht, er war ein unzufriedener Mensch.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf
59. Nun, jeder hat sein Los, und leicht ist keines.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf
60. Und auch das unglücklichste Leben hat seine Sonnenstunden und kleinen Glücksblumen zwischen dem Sand und Gestein.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf
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